13.10.2021-03.07.2022
Rudolf Virchow schlief wenig und arbeitete viel. In seiner Person vereinte er universalen Forscherdrang, soziales Bewusstsein und politisches Engagement. Als Charité-Pathologe festigte er mit seinem Zellenmodell das naturwissenschaftliche Denken in der Medizin. Auf politischer Bühne stritt er für bessere Lebensbedingungen in Stadt und Staat. In Berlin allgegenwärtig, setzte sich Virchow für eine effektive Kanalisation, saubere Markhallen und Schlachthöfe, Schulen und moderne Krankenhäuser ein. Auf vielen Forschungsgebieten – Medizin, Anthropologie und Ethnologie, Kultur-, Ur- und Frühgeschichte – sammelte er und stieß bedeutende Berliner Museumsgründungen an.
Für die Charité heute bietet Rudolf Virchow in seinem Denken, Handeln und Streben eine zentrale Richtschnur und Orientierungshilfe. An dem seinerzeit bereits sehr großen Berliner Krankenhaus erhielt Virchow 1843 seine praktische Ausbildung. Hier startete er seine berufliche Karriere als Pathologe und führte über fast 50 Jahre hinweg ein weltweit angesehenes Institut für Pathologie. Mehr noch, die Charité wurde für ihn zur Basisstation, von der aus er seine weit über die Grenzen der Medizin hinausgreifenden Interessen kultivierte und Ziele verfolgte.
Die Pop-up Ausstellung im neuen Charité-Ausstellungsmodul verknüpft das Lebenswerk des in Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit hineinwirkenden Lebenswissenschaftlers mit Ideen und Konzepten der Charité für eine bessere Medizin von morgen. Virchows Anliegen und Überzeugungen treffen dabei auf Ansatzpunkte, Visionen und mögliche Konkretisierungen, welche die Charité derzeit unter dem Motto „Wir denken Gesundheit neu.“ perspektivisch über das Jahr 2030 darüber hinaus entwickelt.
Sezierte Wahrheiten.
Otto Prokop und sein Institut für Gerichtliche Medizin im geteilten Berlin
Die Ausstellung „Sezierte Wahrheiten. Otto Prokop und sein Institut für Gerichtliche Medizin im geteilten Berlin“ knüpft thematisch an die dritte Staffel der ARD-Serie „Charité“ an und präsentiert ein weiter gefasstes Bild des herausragenden Gerichtsmediziners. Otto Prokop (1921-2009) wechselt als österreichischer Staatsbürger 1957 von der Bonner Uni in die Hauptstadt der DDR. Er übernimmt die Professur für Gerichtliche Medizin und wird Direktor des Gerichtsmedizinischen Instituts der Charitéin der Hannoverschen Straße 6.
In fünf Kapiteln folgt die Ausstellung Prokops ungewöhnlichem Lebensweg, der wie kaum ein zweiter das Ansehen der Charité im geteilten Berlin prägt. Vor den jeweiligen zeithistorischen Hintergründen werden die medizinischen Schwerpunkte seines Schaffens (u. a. Serologie, Blutgruppenforschung, Spurenkunde, Genetik) sowie sein berufliches Umfeld ausgeleuchtet. Wichtige Fälle aus seiner gerichtsmedizinischen Praxis belegen einen klaren Kopf, der als Forscher und Wissenschaftsorganisator, Gutachter und Autor ein international angesehener Wanderer zwischen den Welten war. Was für Otto Prokop zählt: gut dokumentierte Befunde vom Tatort, nüchterne Beobachtungen am Leichnam und sorgfältig ermittelte Ergebnisse aus dem Labor. Als überzeugter Naturwissenschaftler macht er sein Fach nach dem Zweiten Weltkrieg – zwischen Mauerbau und Mauerfall – in Ost-Berlin wieder groß. Im Spannungsfeld des Kalten Kriegs sezieren er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch mehrere „Mauertote“, was eine berufliche Nähe zur Staatsgewalt mit sich bringt. Politisch hält sich Prokop stets auf Distanz, die gesellschaftlichen Verhältnisse trägt er jedoch loyal mit. Als überzeugter Naturwissenschaftler bezieht der charismatische Redner zudem in seinen überfüllten Sonntagsvorlesungen immer wieder Position gegen medizinische Paraphänomene und Okkultismus.